Michael Schaefer
Invasive Links
Invasivel Links
Michael Schaefer: Text anlässlich der Ausstellung Invasive Links,
Galerie Benhadj-Djilali, Berlin, 2020
Warum ich mich mit Bildern aus der Kriegsregion in Syrien (und Irak) beschäftige, kann ich genau nicht erklären. Fest steht, dass es Bilder von Orten sind, gefährlich und unzugänglich, in denen aber Menschen leben – unter schlimmsten Umständen. Der Grad an Zerstörung erinnert an Fotoaufnahmen aus dem zweiten Weltkrieg, an die Erzählungen meiner Eltern. Uns erreichen vor allem Videos der Akteure vor Ort, mit Mobiltelefonen oder kleinen Kameras aufgezeichnet, Helmkamera-sequenzen von Kämpfern und Weißhelmen – alles extrem verwackelt, ohne ästhetisches Bewusstsein, draufgehalten, spontan dokumentiert, manchmal wie eine Achterbahnfahrt, hektisch und schon wieder vorbei. Beim Ansehen hatte ich das Bedürfnis, das Geschehen anzuhalten, denn ein jeder neue Moment, ein jedes neue Video schüttet die Erinnerung an das gerade Gesehene zu. Das „Still“ ermöglicht Betrachtung und Reflexion und doch geht dabei auch so vieles verloren: die Ausrufe, Schreie, das Keuchen der Rennenden, das Knattern der Waffen, aber auch die gesamte Bewegung, das visuelle Abtasten der Umgebung, das Narrativ der Sequenz. Indem ich die Bilder stillstelle, beraube ich sie folglich ihrer eigentlichen Dramatik. Das ist für die Arbeit so gewollt, denn mir geht es nicht um eine drastische Darstellung des Leids, der Gewalt und der mörderischen Gefahr. Meine Bilder handeln jedoch davon, wie sehr diese furchtbaren Zustände in anderen Teilen der Erde für uns zu einem imaginären Hintergrund geworden sind – Tatsachen, die sich durch mediale Bilder und Berichterstattung in unsere Vorstellungswelt eingeschrieben haben und denen gegenüber wir uns kaum zu verhalten wissen.
Ich setze in den Montagen der Serie Invasive Links „unsere“ gelebte Normalität in Beziehung zu diesen fernen Realitäten und suche in den einzelnen Motiven immer andere Aspekte dieses Verhältnisses anzusprechen bzw. unterschiedliche Fragestellungen zu evozieren. Die Personen, die ich in das Kriegsumfeld hineinstelle, nehmen in unterschiedlicher Weise Bezug zu dieser Umgebung auf – oder aber ignorieren diese. Als Fototapeten sind die Montagen einem Widerspruch ausgesetzt, denn diese Art der Bildpräsentation hat in der Regel dekorative Aufgaben. Solchen Anforderungen können meine Bilder offensichtlich nicht gerecht werden. Aber in dieser Differenz thematisieren sie die Funktion von Bildern allgemein und die Frage, wo und in welcher Form wir uns schwierigen Themenkomplexen aussetzen. Bilder können invasiv sein, sie können uns berühren, bedrängen und heimsuchen – und am ehesten lassen wir das zu, wenn wir im WWW unterwegs sind. Natürlich kann man angesichts des immer noch anhaltenden Konflikts in Syrien und der Informationslage darüber eine Haltung einnehmen, eine Meinung entwickeln. Aber es stellt sich die Frage, welche Handlungsoptionen daraus erwachsen können – sofern man sich nicht beispielsweise entschließt, einer der Parteien kämpferisch beizutreten, oder versucht, humanitär zu helfen. Eine Mitschuld der deutschen Politik zu geben, eine Kehrtwende zu verlangen, das ist kaum überzeugend möglich – zu viele Akteure sind in dem Konflikt involviert und politische Entscheidungen in ihrer Wirksamkeit nicht abschätzbar.
Im Vietnamkrieg beispielsweise war dies anders – die USA war ein eindeutiger Kriegsteilnehmer und die Friedensbewegung konnte relativ direkt auf das Geschehen Einfluss nehmen und Forderungen stellen. Die Arbeit „House Beautiful: Bringing the War Home“ von Martha Rosler war dementsprechend eine Serie von Fotomontagen mit einer klaren politischen Botschaft. Die Wiederaufnahme der Serie im Jahr 2003 zum Krieg im Irak besitzt eine ähnliche Stoßrichtung gegen den von den USA geführten Feldzug. Der Syrienkonflikt jedoch erscheint von Anfang an komplizierter und trifft auf eine generelle Verunsicherung gegenüber jeglicher Art von Information. Diese Unsicherheit findet eine visuelle Entsprechung in der schlechten Qualität der übertragenen Bilder – verschwommen, verwackelt, stark komprimiert, arm an Details. Doch diese „poor images“ sind auch in ihrer Zuschreibung ambivalent. Einerseits sind sie ästhetisch zum Klischee für mediale Unmittelbarkeit und Authentizität geworden, andererseits kann man sie aufgrund ihrer Unschärfen nur im Modus äußerster Spekulation rezipieren. Kann man ihnen trauen? Was bezeugen sie eigentlich, welche Details gehen verloren? Welche Kontexte blenden sie aus? Was diese Bilder weiter relativiert ist, dass sie fernab ihres Entstehungsortes in einen medialen Raum eintauchen, in dem das bruchlose Verschmelzen von Fakten und Fiktion zur vorherrschenden Kulturpraktik geworden ist. Und damit wird die Verunsicherung bleiben, selbst mit zukünftig besseren Bildauflösungen. Denn letztlich ist es so: Da, wo ich ein Bild sehe, verdrängt es den realen Raum, den es zu repräsentieren vorgibt.
Michael Schäfer, 2019/2020
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